«Wesentlich für das Gelingen der Synthese aus Zeitlichem und Überzeitlichem ist nur der erfüllte Augenblick.»
Harry Pepl, 1945 - 2005



Pepls kompositorische Methode: «real-time composing» bzw. «instant composing»

In seiner kompositorischen Methode, dem real-time oder instant composing, erscheint die Forderung nach der absoluten Souveränität des Künstlers erfüllt und radikalisiert. Das Prinzip des real-time composings besteht darin, dass der Komponist, ohne von reflexiven Methoden geleitet zu sein, (instrumental) aufzeichnet, was sich im Moment des schöpferischen Vorgangs in seinem musikalischen Bewußtsein befindet - sich "abspielt''. 

Pepls Anliegen ist, eine Synthese zu leisten zwischen dem Besonderen, der subjektiven Freiheit - der Zeitlichkeit und dem Allgemeinen, der objektiven Gesetzmäßigkeit des gelungenen Kunstwerkes - der Überzeitlichkeit. Die Definition des Kunstwerkes als logische Einheit aus Einzelheiten, wie die Bestimmung, daß man es in ihm , nicht mit schmückendem Spielwerk, sondern mit einer Enfaltung der Wahrheit zu tun habe, sind ihm verbindlich. 

Wesentlich für das Gelingen der Synthese aus Zeitlichem und Überzeitlichem gilt ihm der erfüllte Augenblick: ein Augenblick wird ihm umso erfüllter - und damit umso unwiederbringbarer - je mehr er etwas schafft, das in Dauer bestehen kann.

Pepl zu seiner Methode und dem Auftragswerk für das Kronos-Quartett (1990)

«Komposition und Improvisation? An sich zwei getrennte Bereiche musikalischen Schaffens,an sich als verschiedene Ansätze kreativer Musik-Produktion.

Bei meiner Methode, sie ist im Begriffspaar 'instant composing' bzw. 'real-time composing' eingefangen, erfahren beide Bereiche eine seltene, paradoxe Ver­schmelzung. Mein Ausgangspunkt ist die Gitarre, genauer gesagt: die MIDI-Gitarre, die eine Vielzahl von Klangfarben anzunehmen (z.B. Geige,Cello... ) vermag. Als Instrumentalist kann ich mich mit ihrer Hilfe gewissermaßen klanglich tarnen, ich vermag, obwohl ich Gitarre spiele, in die Klangfarbe jedes nur erdenklichen Instrument zu schlüpfen. Bei der Komposition des Streichquartetts habe ich, meiner Methode entsprechend, frei improvisiert. Nach dem Erfinden einer Stimme, habe ich durch spontanes Reagieren auf diese fertige Stimme die restlichen drei improvisiert. Das Ergebnis wird als Partitur ausgedruckt und sodann als fertiges Werk den Spielern zur Interpretation vorgelegt. Was demnach als fest stehendes Werk aufgeführt wird, ist ein Produkt momentaner Eingebung, ist Ergebnis einer spontanen Improvisation und auch des Reagierens auf dieses Improvisierte. Zur Komposition wird es durch die Tatsachen, dass es notiert wird und auch für eine spezielle Klanggruppe, in diesem Fall für das Kronos-Quartett, erdacht ist. Es nimmt freilich auch dadurch Werkcharakter an, dass es, obwohl spontan erdacht, genug Substanz enthält, um als ein zu interpretierendes Werk aufgefasst zu werden. Die Verwandtschaft zur Improvisation bleibt dabei insofern erhalten, da dass spontan Erdachte, und das ist entscheidend, nicht nachkorrigiert wird. Was in dem Augenblick des Schaffens passiert, bleibt unangetastet. 
In dieser Methode äußert sich sehr deutlich meine Musik-Ästhetik, die dem unwiederholbaren Augenblick der Ton-Produktion entscheidende Bedeutung beimisst. Aus dem Geist des Spontanen und in der Konfrontation mit der zur Verfügung stehenden, definierten Spiel-Zeit, hat der Improvisator ein Maximum zu erreichen: Ein Maximum an Neuheit, an Überraschung, letztlich auch an inspirierter Qualität. In einer derartigen Ästhetik ist somit wohl auch das Ideal-Ziel einer Improvisation eingefangen. Nämlich: Im Augenblick eine Tonfolge zu erspielen, die dermaßen gelungen ist, dass sie keiner Nachbe­arbeitung bedarf und substanzvoll genug ist, um sie als Komposition auch von anderen Instrumenten sinnvoll interpretieren zu lassen.
Somit wäre sie ein dauerhaftes Portrait der momentanen Befindlichkeit eines musikalischen Subjekts.»